Barmer-Zahnreport 2020: Deutlich mehr Karies bei Kindern, als bisher angenommen.

Barmer-Zahnreport 2020: Deutlich mehr Karies.

Laut Barmer-Zahnreport hat ein Drittel der Zwölfjährigen in Deutschland bereits Karies im bleibenden Gebiss. Bislang war man davon ausgegangen, dass sie etwa jeden Fünften betrifft.

Karies bei Kindern bisher scheinbar deutlich unterschätzt

Der Barmer-Zahnreport 2020 kommt zu dem Ergebnis das weitaus mehr Zwölfjährige bereits an Karies erkrankt sind als vermutet. Somit wurde bisher Karies bei Kindern deutlich unterschätzt. Nach den Daten des Reports wurde im Jahr 2018 bereits bei 33 Prozent der Zwölfjährigen, also rund 240.000 Kindern, Karies behandelt. Demnach wären laut Report rund 67 Prozent der Zwölfjährigen kariesfrei.

Drei von vier Zehnjährigen ohne Karieserfahrung im bleibenden Gebiss. Anteil der Kinder ohne Füllungen, Wurzelbehandlungen oder Zahnentfernungen. Nach Lebensalter in Prozent.
(Grafik: Barmer)

Ein Ergebnis, das sich nicht mit anderen Studien deckt. Die deutschlandweit repräsentative Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) geht davon aus, dass acht von zehn der 12-jährigen Kinder (81,3 Prozent) vollkommen kariesfrei sind. Bei der ebenfalls deutschlandweiten Studie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege aus dem Jahr 2016 (DAJ 2016) liegt der Anteil kariesfreier Kinder bei 79 Prozent.

„Zahnpflege darf nicht erst im bleibenden Gebiss beginnen, sondern sollte schon bei den Milchzähnen zur täglichen Routine gehören. Dass hier offenbar deutliche Defizite bestehen, zeigt unser Zahnreport sehr eindrücklich.“

Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer

Das beste Mittel gegen Karies ist immer noch die Prävention, also die Vorbeugung. Dazu gehören neben der täglichen Zahnhygiene wie Zähneputzen auch die regelmäßigen Zahnarztbesuche. Doch daran scheint es zu hapern. Der Anteil der Kinder, die über einen Zeitraum von sechs Jahren überhaupt keinen Kontakt zu einem Zahnarzt gehabt haben, ist erstaunlich hoch. Bei den Kindern unter sechs Jahren sind es sogar mehr als 15 Prozent. Von den 4,6 Millionen Kindern unter sechs Jahren waren also 720.000 nie beim Zahnarzt.

15 Prozent der unter Sechsjährigen nicht beim Zahnarzt. So oft gehen Minderjährige im Jahr zum Zahnarzt. Angaben in Prozent.
(Grafik: Barmer)

Prävention stärker bei Karies-Risikogruppe ansetzen

Laut Barmer-Zahnreport 2020 gibt es offenbar einen Zusammenhang zwischen dem Therapiebedarf der Heranwachsenden unter 18 Jahre und dem Einkommen von Vater oder Mutter. Dies legt eine Analyse von bei der Barmer versicherten Eltern nahe. Je geringer deren Einkommen, desto häufiger sind auch Therapieleistungen bei Heranwachsenden nötig. Dabei gibt es in Deutschland eine zunehmende Polarisierung bei der Karies. Eine Tendenz, die auch in vielen anderen Industrie- und Schwellenländern erkennbar ist.

„Wenige Kinder und Jugendliche haben besonders viel Karies. Wir müssen den Präventions-Fokus stärker auf diese Risikogruppe legen.“

Prof. Dr. Christoph Straub

Eine Auffassung, die die Bundeszahnärztekammer teilt. Ist doch Karies eine der weltweit häufigsten Erkrankungen. Sie bedarf daher auch künftig intensiver Präventionsanstrengung. Gut sichtbar wird dies in der Gruppe der unter 18-Jährigen. Betrachtet man in dieser Gruppe die zehn Prozent, die die meisten Behandlungskosten benötigten. Während sie 2010 78,7 Prozent der Therapiekosten auf sich gezogen haben, waren es im Jahr 2018 bereits 85,2 Prozent.

Karies im Milchgebiss weit verbreitet

Wie aus dem Barmer-Zahnreport 2020 weiter hervorgeht, haben Kinder oftmals bereits im Milchgebiss Karies. 54 Prozent der Zehnjährigen in Deutschland, also rund 400.000 Kinder, haben hier schon eine Kariesbehandlung benötigt. Diese Zahlen sind nicht nur aufgrund der Menge alarmierend. Denn wer schon im Milchgebiss Karies hat, wird oft auch Karies und Folgeschäden im bleibenden Gebiss haben. Nicht zuletzt verursacht auch die Milchzahnkaries zum Teil starke Schmerzen und führt dann zu psychischer Belastung von Kindern und Eltern.

Studienautor Prof. Dr. Michael Walter von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der TU Dresden stellt fest, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen im Milch- und bleibenden Gebiss zu verbessern. In diesem Zusammenhang verweist Walter auch auf deutliche regionale Unterschiede, deren Ursachen medizinisch noch unklar sind. Im bleibenden Gebiss haben Zwölfjährige beispielsweise im Saarland am wenigsten Kariestherapie. 69,3 Prozent von ihnen haben laut Reportergebnis noch keine Versorgung gebraucht. In Bremen sind es 68,7 Prozent, in Rheinland-Pfalz immer noch 68,1 Prozent, Schlusslicht ist Hamburg mit 60,9 Prozent.

Fissurenversiegelung weniger haltbar als erwartet

Noch etwas anderes zeigt der Report: Fissurenversiegelungen zum Schutz der bleibenden Backenzähne gegen Karies halten nicht so lange wie erwartet. Lediglich 35,3 Prozent der erstmaligen Versiegelungen bei Heranwachsenden hält länger als neun Jahre.

„Die Haltbarkeit von Fissurenversiegelungen ist geringer als erwartet und bedarf der regelmäßigen zahnärztlichen Kontrolle. Das eigentliche Ziel, eine Karies zu vermeiden, wird aber auf lange Sicht offensichtlich zumeist erreicht.“

Studienautor Prof. Dr. Michael Walter, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der TU Dresden

Dennoch sind Fissurenversiegelungen eine sinnvolle Maßnahme. Denn Karies hat sich nur bei 15,7 Prozent der erstversiegelten Fissuren innerhalb von neun Jahren Karies gebildet. In über 80 Prozent der Fälle hat eine Versiegelung eine Füllung aufgrund von Kariestherapie mindestens neun Jahre lang verhindern können.

(zpl, PM Barmer, Foto: proDente e.V.)

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