Zahnputzverhalten: Oft genug, aber nicht sauber genug

Die meisten Menschen in Deutschland putzen sich täglich die Zähne, was ihr Zahnputzverhalten gut widerspiegelt. Zusammen mit dem Fluorid in der Zahnpasta schützt dieses Zahnputzverhalten sehr gut vor Karies. Das ist die gute Nachricht.

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Die Medizinpsychologin Renate Deinzer von der Universität Gießen hat aber auch eine schlechte Nachricht: Die meisten Leute schaffen es nicht, den Zahnbelag – auch Plaque genannt – vollständig zu entfernen. Dadurch entzündet sich oft das Zahnfleisch. Aus dieser Entzündung kann sich eine Parodontitis entwickeln, die den ganzen Zahn gefährdet. „Ich kenne kein anderes Gesundheitsverhalten, das vom überwiegenden Teil der Bevölkerung mit einer vergleichbar großen Konsequenz gezeigt wird wie das Zähneputzen“, lobt Professorin Renate Deinzer. „Das ist großartig und das muss man auch würdigen.“

Laborstudien mit über 1000 Probanden

Das Team der Medizinpsychologin untersuchte über 1000 Teilnehmer in Laborstudien. Dort stellten die Forschenden fest, dass die meisten Menschen den Zahnbelag nicht gut entfernen. Dieses Problem im Zahnputzverhalten bei der Mundhygiene verursacht Zahnfleischentzündungen. Wenn sich die Mundhygiene nicht verbessert, kann daraus eine Parodontitis entstehen. Das ist eine Entzündung, die den Halt der Zähne im Kiefer schwächt. Die Untersuchungen zeigen: Selbst nach dem bestmöglichen Putzen bleibt bei Teilnehmern aller Altersgruppen an etwa der Hälfte der Zähne Zahnbelag am Zahnfleischrand zurück. „Viele Menschen sind sich der Bedeutung des Putzens am Zahnfleischrand offensichtlich nicht bewusst“, erklärt Professorin Deinzer. Oft konzentrieren sie sich auf die Kauflächen, weil sie das als Kinder gelernt haben, um Karies zu vermeiden.

Video-Analysen zeigen außerdem, dass viele Menschen ohne System putzen. Sie wechseln unregelmäßig zwischen den Bereichen im Mund. Dabei vergessen sie ganze Zahnreihen und vor allem die schwer erreichbaren Innenflächen. Selbst sehr bemühte Teilnehmer in Studien reinigen ihre Zähne oft nicht vollständig. Eine Ausnahme bilden Zahnärzte oder Menschen mit speziellem Training. Wichtig ist, den Menschen zu erklären, dass nicht eine bestimmte Putzdauer das Ziel ist. Stattdessen zählt die Sauberkeit der Zähne, besonders am Zahnfleischrand – und das mindestens einmal am Tag. Zahnputzverhalten spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Erste Studie auf Bevölkerungsebene

Aufgrund dieser Ergebnisse untersuchten Forschende, darunter auch das Team von Professorin Deinzer, das Thema nun erstmals in einer großen deutschen Studie. Die Studie bestätigte die Ergebnisse aus dem Labor: Bei jungen und alten Menschen, bei Männern und Frauen und in allen Bildungsgruppen bleibt auch nach bestem Putzen an der Hälfte der Zähne Plaque am Zahnfleischrand zurück. Diese Schwächen im Zahnputzverhalten fanden die Forschenden auch bei Nutzern von elektrischen Zahnbürsten. Die Probleme traten in allen Bereichen des Gebisses auf, auch wenn die Backenzähne etwas mehr Belag zeigten als die Vorderzähne. Die Forschenden meinen, dass alle Gruppen ihre Mundhygiene verbessern sollten. Deshalb sind Maßnahmen für die gesamte Bevölkerung nötig.

Video-Analysen des Zahnputzverhaltens, KI zur Schwachstellendiagnose

In dieser Studie filmten die Forschenden zum ersten Mal das Zähneputzen der Teilnehmer. „Wir werten die Videos aktuell aus“, berichtet Professorin Deinzer. Die Forscher suchen nach den Unterschieden zwischen Menschen, die sehr sauber putzen und denen, die es nicht tun. Und sie prüfen, ob die Reinigung der Zahnzwischenräume einen Unterschied macht und ob Menschen unterschiedlicher Herkunft anders putzen. Sie suchen aber auch nach Hinweisen auf schädliche Gewohnheiten im Zahnputzverhalten.

Die Forschenden brauchen aktuell sechs Stunden, um ein einziges Video vom Zähneputzen auszuwerten. Deshalb will das Team Forschungsgeräte mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Zahnbürsten mit Sensoren entwickeln. Diese Geräte sollen das Putzverhalten automatisch erfassen, analysieren und persönliche Schwachstellen erkennen.

Das können Praxen und Mitarbeiter bei der PZR leisten

„Eine professionelle Zahnreinigung sollte eine individuelle Mundhygiene-Unterweisung beinhalten, die sich auf die tatsächlichen Defizite des Patienten konzentriert“, fordert Professorin Deinzer. Am besten putzen Patientinnen und Patienten vor der Zahnreinigung ihre Zähne. Danach färbt die Praxis die ungereinigten Stellen am Zahnfleischrand an. So erkennen die Patienten ihre Schwächen im Zahnputzverhalten klar. Wichtig ist es auch, Hindernisse für die Hygiene zu entfernen, zum Beispiel schlechte Kronenränder oder lockere Füllungen.

Die Forschenden haben ein langfristiges Ziel: Effektives Zähneputzen und verbessertes Zahnputzverhalten soll für alle zur festen Gewohnheit werden. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man richtiges Zähneputzen lernen kann“, sagt Professorin Deinzer lächelnd. „Das ist wie Schönschreiben in der Schule. Man hat es gelernt doch selbst wenn man es einmal gut konnte, muss man es immer wieder üben, um gut zu bleiben.“

zpl, Quelle: idw, Teaserfoto: Teaserfoto: Adobe KI-generiert

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