Die Stiftung Kindergesundheit warnt: Die verführerische Reklame für süße, fette und salzige Lebensmittel macht Kinder krank. Daher fordert die Stiftung eine konsequente Begrenzung der an Kinder und Jugendliche gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke.
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Denn es besteht kein Zweifel: Diese Werbung macht Kinder nachweisbar krank! Die meisten beworbenen Produkte enthalten zuviel Zucker, Fett oder Salz und fördern dadurch langfristig Krankheiten wie Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes Typ 2, betont die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme.
„Für Kinder und Jugendliche ist eine ausgewogene Ernährung für Wachstum, Entwicklung, Leistungsfähigkeit und langfristige Gesundheit besonders wichtig“
Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit
Laut Professor Koletzko, einem der renommiertesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Forscher auf dem Gebiet der Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin, fallen die von den verschiedenen Medien tagtäglich auf die Kinder und Jugendlichen einwirkenden Werbebotschaften auf fruchtbaren Boden und beeinflussen ihre Ernährungsgewohnheiten und Produktauswahl. Was zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit führen kann.
Mit Gimmicks und Comicfiguren zu mehr Verkäufen bei Kindern
Kinder sind für die Lebensmittelhersteller eine wichtige Zielgruppe. Denn in der Kindheit erlernte Ernährungsmuster werden oft im Erwachsenenalter beibehalten1Birch LL. Development of food preferences. Annu Rev Nutr. 1999;19:41-62. doi: 10.1146/annurev.nutr.19.1.41. PMID: 10448516.. Zudem entscheiden Kinder durchaus mit, welche Produkte im Einkaufswagen landen.
Bei dieser Verführung zum Kauf von bestimmten Lebensmitteln spielt die „Kinderoptik“ der Produkte eine wesentliche Rolle. Als Lebensmittel mit Kinderoptik werden Produkte bezeichnet, deren Verpackungs- oder Produktgestaltung gezielt Kinder adressiert (z. B. durch Comicfiguren) bzw. deren Produktnamen sich an Kinder (z. B. „Schokobären“) oder an deren Eltern (z. B. „für die Kleinen“) richtet2Demuth I, Busl L, Ehnle-Lossos M et al. (2020) Produktmonitoring 2019 Ergebnisbericht, Version 2.0. Max Rubner-Institut, Karlsruhe https://doi.org/10.25826/20200330-100922. Auf Produkte mit Kinderoptik trifft mindestens eines der folgenden Kriterien zu:
- Der Produktname „Kind“, „Kinder“ bzw. „Kids“ oder Kinder ansprechende Produktnamen wie „Schoko Bären“;
- eine die Kinder ansprechende optische Gestaltung der Verpackung, zum Beispiel mit der Darstellung von lachenden Tieren oder Comicfiguren;
- eine Kinder ansprechende optische Gestaltung des Produkts oder einzelner Zutaten, z. B. Cerealien in Form von Bären oder Buchstaben;
- an Kinder oder Eltern gerichtete Botschaften auf den Verpackungen wie z. B. „Für Ihre Kleinen“, Hinweise auf Spiele oder Lerneffekte oder „Gimmicks“ (Zugaben) in der Packung wie z. B. Sammelbilder oder Spielzeug.
Kinderoptik auf fast jedem fünften Joghurtbecher
Fast jeder fünfte Joghurtbecher ist in „Kinderoptik“ gestaltet. Aber auch auf Getränken mit Früchten, auf Milchtüten, auf Müsli, Cornflakes oder Frühstücksbreien findet man diese Produktgestaltung. Kinderoptik ist aber kein Garant für ein gesundes Kinderprodukt. Zwar haben die Hersteller auch bei Kinderprodukten den Zuckergehalt reduziert. Eine Untersuchung des Max-Rubner-Instituts (Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel ergab jedoch, dass ausgerechnet die Joghurtzubereitungen mit Kinderoptik mit knapp 14 Gramm Zucker pro 100 Gramm einen höheren medianen Zuckergehalt haben als die meisten vergleichbaren Erzeugnisse.
„Für die Produkte mit Kinderoptik können signifikante Verringerungen der Zucker- und Energiegehalte bei Joghurt- und Quarkzubereitungen, Frühstückscerealien und Erfrischungsgetränke festgestellt werden. Teilweise sind allerdings die Zuckergehalte dieser Produkte, verglichen mit den jeweiligen Produkten ohne Kinderoptik, immer noch hoch.“
Produktmonitoring 20193Demuth I, Busl L, Ehnle-Lossos M et al. (2020) Produktmonitoring 2019 Ergebnisbericht, Version 2.0. Max Rubner-Institut, Karlsruhe https://doi.org/10.25826/20200330-100922
Harte Fakten statt süßer Verführung
Ein Faktenblatt über die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Stiftung Kindergesundheit verdeutlicht die negativen Auswirkungen der Werbung auf die Kindergesundheit. Hier einige Fakten:
- Das an Kinder gerichtete Werbung gut wirkt, ist belegt. Bereits 2006 zeigte eine Analyse der wissenschaftlichen Daten durch das US-amerikanische „Institute of Medicine“, dass die Werbung für bestimmte Produkte nachweislich zu einer Erhöhung des Konsums dieser Produkte bei 2- bis 11-jährigen Kindern führt und mit gehäufter Fettleibigkeit (Adipositas) bei 2- bis 18-jährigen Kindern und Jugendlichen verbunden ist. Die Studie ergab zudem, dass Kinder bis zum Alter von etwa 4 Jahren nicht klar zwischen Programm und Werbung unterscheiden und bis etwa 8 Jahren dem verführenden Charakter von Werbung kaum widerstehen können.
- Der „Kindergesundheitsbericht 2022“ der Stiftung Kindergesundheit zeigt einen erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Lebensmittel- und auch der Nährstoffzufuhr der Kinder und Jugendlichen. Heranwachsende verzehren zu wenig Obst, Gemüse und Getreideprodukte, aber hohe Mengen an Fleisch und Wurst, gesättigten Fetten und Salz. Besonders besorgniserregend ist ein weitaus zu hoher Zuckerverzehr aus Speisen und Getränken.
- Bei Kindern und Jugendlichen in den Industrieländern ist der Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte deutlich angestiegen, von 61,4 auf 67 Prozent der Energiezufuhr, mit einem besonders starken Anstieg des Konsums von Fertigmahlzeiten (von 2,2 auf 21,2 Prozent der Energiezufuhr). Solche hochverarbeiteten Lebensmittel haben im Mittel eine deutlich schlechtere Nährstoffzusammensetzung als nicht oder wenig verarbeitete Lebensmittel. So enthält eine Fertigpizza beispielsweise bis zu 14 Gramm Zucker (5 Würfelzucker), 20-30 Gramm ungünstige Fette, 2-4 Gramm Salz (empfohlen sind maximal 6 Gramm täglich) und insgesamt wesentlich mehr Kalorien als die selbstgemachte Variante.
- Die Europäische Union hat in ihrer Richtlinie zu Audiovisuellen Medien 2018 und in ihrem Plan zur Bekämpfung der Krebserkrankungen 2021 die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Produktplatzierungen in Nachrichtensendungen, Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen, Verbraucherschutzsendungen, religiösen Sendungen und Kindersendungen zu unterbinden. Betont wird die Wichtigkeit des Verbotes von Produktplatzierung in Kindersendungen, weil Produktplatzierung und Werbung das Verhalten von Kindern beeinflussen können und Kinder oft nicht in der Lage sind, den kommerziellen Inhalt zu erkennen.
- Freiwillige Maßnahmen zur Begrenzung der an Kinder gerichteten Werbung, wie der sogenannte „EU Pledge“ einiger großer Lebensmittel- und Getränkehersteller, zeigen keine ausreichende Wirkung. So zeigte eine von Foodwatch und der Stiftung Kindergesundheit im Jahr 2021 vorgestellte Untersuchung, dass von 283 in deutschen Fernsehsendern an Kinder beworbenen Produkten 85,5% ungesunde Lebensmittel und Getränke waren. Entsprechend fordern ebenso wie die Stiftung Kindergesundheit auch führende medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, die in der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten zusammenarbeiten, zum Schutz von Kindern ein Fernsehwerbeverbot für ungesunde Lebensmittel.
- Die Auswertung der Daten von 76 Untersuchungen belegte eindeutig die schädlichen Wirkungen der an Kinder und Jugendliche gerichteten Lebensmittelwerbung auf die Bevorzugung und den Verzehr der im Fernsehen oder auf der Verpackung für Kinder beworbener Produkte.
EU Pledge – freiwillige Selbstverpflichtung der Food & Beverage-Branche Der 2007 als freiwillige Initiative führender Lebensmittelkonzerne ins Leben gerufen EU Pledge verpflichtet, die Nahrungsmittel- und Getränkewerbung für Kinder unter 12 Jahren in der EU zu ändern. Die beiden zentralen Selbstverpflichtungen sind: – Keine Werbung für Nahrungsmittel und Getränke an Kinder unter 12 Jahren in TV, Print sowie dem Internet, es sei denn sie erfüllen die gemeinsamen Ernährungskriterien. – Keine Produktwerbung in Grundschulen, außer wenn sie explizit erbeten wird oder von der Schulleitung zu Bildungszwecken genehmigt ist. (Quelle: www.eu-pledge.eu) |
Die Verbraucherorganisation Foodwatch, die sich unter anderem mit der Qualität von Lebensmitteln auseinandersetzt, sieht diese Selbstverpflichtung kritisch4Foodwatch. Marktstudie: Freiwillige Selbstregulierung der Lebensmittelindustrie bei Kindermarketing gescheitert – fast alle Produkte für Kinder ungesund. Pressemitteilung vom 24.08.2021 (https://www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2021/marktstudie-freiwillige-selbstregulierung-der-lebensmittelindustrie-bei-kindermarketing-gescheitert-fast-alle-produkte-fuer-kinder-ungesund/)].
Begrenzung der Werbung gefordert
Wie dargestellt beeinflusst die Werbung die Essgewohnheiten und damit die Gesundheit von Kindern dauerhaft nachteilig. Daher unterstützt die Stiftung Kindergesundheit die Bemühungen von Bundesminister Özdemir für eine konsequente Begrenzung der an Kinder und Jugendliche gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke5Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022), Özdemir begrüßt Auftrag der Länder zu einer gesetzlichen Regelung der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung. https://www.bmel.de/SharedDocs/Meldungen/DE/Presse/2022/220617-lebensmittelwerbung.html6Süddeutsche.de (2023) Özdemirs Kraftprobe. Kinderwerbung für Dickmacher.
https://www.sueddeutsche.de/politik/oezdemir-kindermarketing-dickmacher-1.5739924. Die Pläne dex Bundesministers sehen unter anderem vor, Kinderwerbung für Junkfood und Süßigkeiten zwischen 6.00 und 23.00 Uhr zu verbieten. Zudem soll auch Außenwerbung auf Plakaten für ungesunden Produkte im Umkreis von 100 Metern um Schulen, Kitas, Spielplätze und Freizeiteinrichtungen für Kinder verboten sein7Berliner Zeitung: Werbeverbote für ungesunde Kinder-Lebensmittel geplant. https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/werbeverbote-fur-ungesunde-kinder-lebensmittel-geplant-li.322293 (abgerufen am 27.02.2023). Sinnvolle Vorschläge, denn die Datenlage zeigt glasklar: Diese Werbung für süße, fette und salzige Lebensmittel macht Kinder krank!
„An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett-und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.“
Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP8Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021-1990800
zpl, Foto: antoniodiaz/Shutterstock.com
Weitere Informationen auf diesem Blog
- Knappe Mehrheit für die Zuckersteuer.
- Frühstückscerealien meist überzuckert.
- Zuckerrückgang aus Süßwaren am geringsten.
- Zuckerhaltige Ernährung zu wenig eingeschränkt.
- Influencer-Marketing für Süßes und Junkfood.
- Kinder: Täglich 15 Werbungen für ungesundes Essen.
- Zahngesunde Ernährung gegen Karies.
Literatur/Anmerkungen
- 1Birch LL. Development of food preferences. Annu Rev Nutr. 1999;19:41-62. doi: 10.1146/annurev.nutr.19.1.41. PMID: 10448516.
- 2Demuth I, Busl L, Ehnle-Lossos M et al. (2020) Produktmonitoring 2019 Ergebnisbericht, Version 2.0. Max Rubner-Institut, Karlsruhe https://doi.org/10.25826/20200330-100922
- 3Demuth I, Busl L, Ehnle-Lossos M et al. (2020) Produktmonitoring 2019 Ergebnisbericht, Version 2.0. Max Rubner-Institut, Karlsruhe https://doi.org/10.25826/20200330-100922
- 4Foodwatch. Marktstudie: Freiwillige Selbstregulierung der Lebensmittelindustrie bei Kindermarketing gescheitert – fast alle Produkte für Kinder ungesund. Pressemitteilung vom 24.08.2021 (https://www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2021/marktstudie-freiwillige-selbstregulierung-der-lebensmittelindustrie-bei-kindermarketing-gescheitert-fast-alle-produkte-fuer-kinder-ungesund/)]
- 5Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022), Özdemir begrüßt Auftrag der Länder zu einer gesetzlichen Regelung der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung. https://www.bmel.de/SharedDocs/Meldungen/DE/Presse/2022/220617-lebensmittelwerbung.html
- 6Süddeutsche.de (2023) Özdemirs Kraftprobe. Kinderwerbung für Dickmacher.
https://www.sueddeutsche.de/politik/oezdemir-kindermarketing-dickmacher-1.5739924 - 7Berliner Zeitung: Werbeverbote für ungesunde Kinder-Lebensmittel geplant. https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/werbeverbote-fur-ungesunde-kinder-lebensmittel-geplant-li.322293 (abgerufen am 27.02.2023)
- 8Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021-1990800