Studien zeigen, dass Karies der Erwachsenen weniger wird. Nicht so bei Kindern, denn hier ist die Karies noch nicht so stark auf den Rückzug. Trotz Vorsorge und Prophylaxe. Daher fordern Zahnärzte, den Gehalt an Fluorid der Kinderzahnpasten zu verdoppeln.
Starker Rückgang bei bleibenden Zähnen, aber nicht bei Milchzähnen
Während im bleibenden Gebiss bei 12 Jährigen seit 1997 die Karies um 75 Prozent zurückgegangen ist, beträgt der Rückgang im Milchgebiss lediglich 28 Prozent. Am Rückgang der Karies kommt Fluorid eine wichtige Rolle zu, denn Fluorid schützt den Zahnschmelz gegen Säuren, die zu Karies führen können.
Empfehlung zur Verdoppelung des Fluoridgehalts bei Kinderzahnpasta
Laut Studien reicht der bisherige Fluoridgehalt in Kinderzahncremes nicht aus, um die Milchzähne vor Karies zu schützen. Daher empfehlen Experten verschiedener Fachgesellschaften, den bisherigen Fluoridgehalt von 500 ppm auf 1.000 ppm zu verdoppeln. Zahnpasta für Erwachsene, die auch von Kindern über sechs Jahre verwendet werden kann, enthält bis zu 1.500 ppm Fluorid.
Für Kinder galt bisher eine andere Empfehlung, da sie häufig Zahnpasta verschlucken. Was mit dem Risiko verbunden ist, beim Verschlucken größerer Zahnpastamengen eine Dentalfluorose zu bekommen.
Sichtbar wird dies durch weiße bis bräunliche Flecken auf dem Zahnschmelz, meist an den Schneidezähnen. Denn über das Blut wird Fluorid in den Zahnschmelz eingelagert. Diese Verfärbungen sind zwar ästhetisch störend, sie schaden aber nicht dem Zahn. Da Dentalfluorosen nur während der Zahnbildung entstehen, besteht das Risiko nur bis etwa zum zweiten Lebensjahr. Die Experten haben dieses Risiko bei ihrer Empfehlung durchaus berücksichtigt. Sie sind aber der Meinung, dass die Vorteile einer höheren Fluoridkonzentration überwiegen.
Statt Erbse nun Reiskorn als Größeneinheit
Vom zweiten bis zum sechsten Geburtstag sollen Kinder zweimal täglich mit einer erbsengroßen Menge einer Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid ihre Zähne putzen. In den ersten beiden Lebensjahre sollte ab dem Durchbruch des ersten Milchzahnes mit einer reiskorngroße Menge an Zahnpasta zweimal täglich geputzt werden. Alternativ zur Zahnpasta mit 1.000 ppm kann auch eine erbsengroße Menge Kinderzahnpasta mit 500 ppm Fluorid verwendet werden. Um diese Menge auch richtig dosieren zu können, richten die Experten an die Industrie den Appell, die Zahnpastatuben mit kleineren Öffnungen zu versehen. Außerdem soll die Konsistenz der Zahnpasta fester eingestellt werden.
International werden schon seit Jahren höhere Fluoridkonzentrationen für Kinder bis zum sechsten Geburtstag empfohlen, beispielsweise von der American Dental Association (ADA), aber auch von der Europäischen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (EAPD).
Kinderärzte sehen schon die bisherigen Fluoridempfehlungen teilweise kritisch
Fraglich ist, wie sich die Kinderärzte zu dieser neuen Empfehlung stellen. Bereits zur bisher existierenden Leitlinie „Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe“ konnten sich die Kinderärzte nicht mit den Zahnärzten auf eine einheitliche Empfehlung zur Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta bei Kleinstkindern einigen. In der Leitlinie sprechen sich die Kinderärzte dafür aus, dass die Kinder im älteren Säuglings- und im Kleinkindalter prinzipiell an eine regelmäßige Zahnreinigung mit einer altersgerecht geformten Zahnbürste herangeführt werden sollen. Fluoridhaltige Zahnpasten sind aber erst ab einem Alter einzusetzen, in dem das Kind Zahnpasta nach dem Zähneputzen regelmäßig vollständig ausspucken kann, also in der Regel ab dem 5. Lebensjahr.
Aus Sicht der Kinderärzte ist ein Grund hierfür, dass Zahnpasten als Kosmetika deklariert sind. Daher unterliegen sie keinen lebensmittelrechtlichen Kontrollen und enthalten zahlreiche nicht zum Verzehr (bspw. durch Verschlucken) zugelassene Inhaltsstoffe. In dieser Leitlinie stellten die Vertreter der Kinderärzte auch fest, dass „die tägliche Anwendung einer Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid wird im Vorschulalter wegen des Risikos einer übermäßigen Fluoridexposition und einer Fluorose nicht empfohlen (..werden kann)“ (Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe, S. 32). Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht in seiner Stellungnahme vom 18. Mai 2018 davon aus, es keine eindeutigen Belege dafür gibt, „dass eine Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid (entspricht 0,05 % Fluoridanteil) weniger wirksam ist als eine mit 1000 ppm (0,1 % Fluorid).“ (Stellungnahme vom 18.05.2018).
Neue Empfehlung ersetzt nicht die Leitlinie zur Fluoridierung
Unterschiedliche Standpunkte zwischen Zahnärzten und Kinderärzten verunsichern Eltern, Familien, Hebammen und andere, mit der Betreuung von Kindern befasste Personen. Zu bedenken ist zudem, dass die Erhöhung des Fluoridanteils nur eine Empfehlung ist. Die Leitlinie zur Fluoridierung wurde bisher nicht geändert. Und die von wissenschaftlichen Experten erstellten Leitlinien sind das Maß der Dinge. Bleibt also die Frage, ob die Empfehlung unverändert in die Leitlinie zur Fluoridierung übernommen wird.
Bei aller Diskussion um Fluorid und um Fluoridierungsempfehlungen muss bedacht werden, dass Fluorid zur Kariesverhinderung zwar ein wichtiger Baustein ist. Andere Bausteine, beispielsweise eine ausgewogene Ernährung mit wenig Zucker, eine gute Zahnpflege und die regelmäßige zahnärztliche Betreuung, gehören ebenso dazu.
(Foto: © proDente e.V./Johann Peter Kierzkowski )
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